Einstellung des Verfahrens gegen ÉLIE DOMOTA, GUADELOUPE

Der UGTG, Gewerkschaftsbund von Guadeloupe, hat sich mit diesem dringenden Appell an die Arbeitnehmer- und demokratischen Organisationen weltweit Domotagewandt.

Der Generalsekretär des UGTG, Élie Domota, wurde im letzten Oktober von der Gendarmerie von Pointe-à-Pitre (Guadeloupe) vorgeladen. Ihm wurde mitgeteilt, dass von einem führenden Manager von BMW, Präsident des Unternehmerverbandes von Guadeloupe, eine Klage wegen „Anstachelung zu Unruhen“ vorliegt. Am 31. Mai muss er sich vor dem Landgericht in Pointe-à-Pitre verantworten.

Seit dem Generalstreik von 2009 in Guadeloupe, der 44 Tage dauerte, verfolgt der französische Staat die Gewerkschafter und ihren Gewerkschaftsbund UGTG für ihre Inanspruchnahme des demokratischen Grundrechts auf Streik mit Repressionsmaßnahmen.

Der stellv. Generalsekretär Maité Hubert-M.Toumong betont in dem Appell an alle, die für die Verteidigung der gewerkschaftlichen Rechte kämpfen, ann alle Kämpfer der Arbeiter- und demokratischen Bewegung:

„Ein weiteres Mal versucht man unsere Gewerkschaftsorganisation zum Schweigen zu bringen. Trotz der wütenden Unterdrückung als Vergeltungsmaßnahme gegen den mutigen Generalstreik von 44 Tagen im Jahre 20019 konnten sie uns nicht das Rückgrat brechen

 Sie handeln sich um in dem festen Willen, Gewerkschaftsarbeit zu kriminalisieren und die UGTG zu verteufeln. (…) Der Staat und die Unternehmer wollen ihre Reformen zur unbehinderte Absenkung der Tarifverträge durchsetzen, das Arbeitsgesetz sowie das Streikrecht liquidieren, alle grundlegenden Freiheiten zerschlagen, während sie gleichzeitig alle Tarifverhandlungen verweigern.

Und das alles im Namen des berühmten sozialen Friedens und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

Die UGTG bestätigt, dass der Kampf für die Unabhängigkeit der Gewerkschaften heißt, die Arbeiter zu verteidigen, sich gegen Entlassungen und Schandtaten, deren Opfer sie geworden sind, zu wehren; das heißt, für die Verteidigung der Rechte und Errungenschaften der breiten Mehrheiten zu kämpfen.

Die UGTG betont, dass der Pakt zwischen Arbeit und Kapital kein anderes Ziel hat, als die Erleichterung des vom Staat und den Unternehmern aufgezwungenen sozialen Rückschritts; die Ausmerzung der unabhängigen Gewerkschaftsbewegung, des Klassenkampfes und der sozialen Auseinandersetzung.

Der UGTG betont, dass mit der Anklage die gewerkschaftlichen Freiheiten, das Recht der Arbeiter, über unabhängige Gewerkschaften zu verfügen, getroffen werden soll. (…)

Im Namen der Arbeitersolidarität im Namen der Demokratie, im Namen der Rechte der Arbeiter von Guadeloupe und ihrer Gewerkschaftsorganisationen, die für ihre legitimen Forderungen kämpfen, appellieren wir an Eure Unterstützung und Solidarität!“

Im Namen der IAV wenden wir uns an alle Arbeitnehmerorganisationen, an alle GewerkschaftskollegInnen und Demokraten, an alle Unterzeichner des Aufrufs zur 9. OWK:

Unterstützt – in Solidarität mit den Kollegen der UGTG und ihrer Gewerkschaft – den Kampf für die Einstellung des Verfahrens gegen Élie Domota.

Wendet Euch in diesem Sinne an die französische Botschaft, um sie über diese Stellungnahme zu informieren oder unterschreibt den untenstehenden Aufruf, den wir an die Botschaft und an die UGTG in Guadeloupe weiterleiten werden.

Wenn Ihr Euch direkt an die Botschaft wendet, schickt bitte eine Kopie Eurer Stellungnahme zur Information an die u.a. Adresse.

Vorschlag für einen Brief

Mr. Maurice Jacques Jean-Marie Gourdault-Montagne

Pariser Platz 5

10117 Berlin

Per Fax: (+49) 30 5 90 03 91 10

E-Mail: diplo@ambafrance-de.org

kanzlei@botschaft-frankreich.de

 

Sehr geehrter Herr Botschafter,

wie wir über den Gewerkschaftsbund UGTG von Guadeloupe erfahren haben, muss sich der UGTG-Generalsekretär Élie Domota am 31. Mai vor dem Landgericht in Pointe-à-Pitre verantworten. Die fälschliche Anklage lautet: „Anstachelung zu Unruhen“.

Wir wurden darüber informiert, dass seit dem Generalstreik von 2009 in Guadeloupe der französische Staat immer wieder gegen die GewerkschafterInnen und den Gewerkschaftsbund UGTG Repressalien anwendet, weil sie im Kampf für ihre Forderungen das demokratische Grundrecht auf Streik in Anspruch genommen haben.

Wir wenden uns gegen alle Versuche der französischen Regierung, die Gewerkschaftsarbeit unserer KollegInnen in Guadeloupe und der UGTG zu kriminalisieren.

Wir möchten bekräftigen, dass unsere uneingeschränkte Solidarität unserem Gewerkschaftskollegen Élie Domota und der UGTG von Guadeloupe gehört.

Als GewerkschaftskollegInnen und Demokraten sehen wir unsere Verpflichtung darin, Gewerkschafter, wo immer sie wegen der Inanspruchnahme ihres demokratischen Grundrechts auf gewerkschaftliche Organisierung und Streik verfolgt werden, zu verteidigen.

In diesem Sinne fordern wir die Einstellung des Verfahrens gegen Élie Domota.

 

Hochachtungsvoll

und in Erwartung Ihrer Antwort,

 

 

An den Justizminister der Französischen Republik

Herr Jean-Jacques Urvoas

13, place Vendôme

75042 Paris cedex 01

contact@urvoas.bzh

DIE ZEIT, 26.02.2009: Guadeloupe: »Wir können nicht mehr zurück«

Ein Gespräch mit Elie Domota, dem Anführer der Proteste gegen die Urenkel der Sklavenhalter auf Guadeloupe

Von Gero von Randow

DIE ZEIT: Herr Domota, was fordern Sie?

ELIE DOMOTA: Lohnerhöhungen für Geringverdiener und Preiskontrollen. Sofort!

ZEIT: Dafür allein gehen die Menschen aber nicht wochenlang auf die Barrikaden.

DOMOTA: Völlig richtig. Sobald diese Forderungen erfüllt sind, geht es weiter. Die Lebensbedingungen müssen sich fundamental ändern. Als 1848 die Sklaverei abgeschafft wurde, behielten die Sklavenhalter ihre Reichtümer, sie wurden sogar für jeden Sklaven entschädigt. Von diesen Vermögen profitieren deren Urenkel heute noch. Die Guadeloupianer afrikanischer oder indischer Abstammung dagegen bleiben diskriminiert. Weder in den großen Unternehmen noch in der Verwaltung bekleiden Nichtweiße Führungspositionen. Das ist doch nicht normal.

ZEIT: Man hat Ihrer Bewegung vorgeworfen, den Hass auf Weiße zu schüren.

DOMOTA: Guadeloupe ist auf Klassen- und auf Rassenbeziehungen aufgebaut. Das festzustellen ist kein Rassismus. Wir sagen ja nicht: Schmeißt die Weißen raus. Aber: Die Manager weiß, die Straßenkehrer schwarz? Das muss aufhören.

ZEIT: Wie ist der Stand der Verhandlungen?

DOMOTA: Die Unternehmer wollen, dass der Staat die Hälfte unserer Lohnforderungen finanziert.

ZEIT: Und was tut der Staat?

DOMOTA: Die Polizei schlägt auf uns ein. Aus den Verhandlungen hat der Staat sich aber zurückgezogen. Die sind riskant für ihn. Gibt er nach und finanziert Lohnerhöhungen, dann werden die Arbeiter auf dem Festland fragen: Und wir?

ZEIT: Und wenn niemand nachgibt?

DOMOTA: Staat und Unternehmer werden nachgeben.

ZEIT: Und wenn nicht?

DOMOTA: Sie müssen nachgeben.

ZEIT: Anderenfalls?

DOMOTA: Wir können nicht mehr zurück. Der Generalstreik greift auf Martinique über, auf Guyana und La Réunion. Sollte er in Paris ankommen, wird ganz Europa betroffen sein: Spanien, Italien, Griechenland, Deutschland.

ZEIT: Mit anderen Worten: Ob die Gegenseite nachgibt oder nicht, die Bewegung wird Europa erreichen?

DOMOTA: Ganz genau. Und niemand wird mehr auf uns herumtrampeln.

Die Fragen stellte Gero von Randow