Interview mit Bassolma Bazié, Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes CGT-B von Burkina Faso
Frage: Ein Gesetzentwurf gegen das Streikrecht wurde jetzt veröffentlicht. Ihr habt dessen Rücknahme gefordert. Wie weit ist der Kampf gekommen?
Bassolma Bazié: Nachdem wir darauf mit einem Offenen Brief an Ihre Exzellenz, den Präsidenten der Republik, Christian Roch Kaboré, reagiert haben, herrscht bis jetzt der Status quo. Wir hoffen jedoch, dass dieser Status quo gleichbedeutend ist mit einer Rücknahme des Gesetzentwurfs (1).
Frage: In Burkina Faso finden seit Monaten immer wieder Angriffe und Morde seitens der „Dschihadisten“ statt. Wie analysierst Du die Situation, die Verantwortung der Regierung und der imperialistischen Mächte?
Bazié: Zunächst zu der Situation, dass weltweit Länder von terroristischen Angriffen betroffen sind, umfasst unsere Analyse in den afrikanischen Ländern und besonders in Burkina zwei Phasen.
Erstens muss man erkennen, dass die afrikanischen Länder sich in einer Art formaler Unabhängigkeit befinden, was letztlich überhaupt keine Unabhängigkeit bedeutet. Die militärische Besetzung, die chaotische Ausbeutung der Bodenschätze, der fehlende politische Plan der führenden afrikanischen Politiker und die Umsetzung der politischen Beschlüsse, die von internationalen Institutionen gefasst wurden, besonders denen von Bretton Woods, dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, sind der Beweis, dass Afrika ein Problem mit seiner Unabhängigkeit hat. Und ihr wisst ja, wenn ein Land nicht wirklich unabhängig ist, wenn es nichts bei den Beschlüssen zu sagen hat, die auf seinem Territorium in Kraft treten, dann wird es auch harte Rückschläge geben.
Der Schutz eines Landes stützt sich auf militärische Strukturen und politische Beschlüsse, die frei von ausländischen Einflüssen sein müssen. Wir stellen fest, dass der Aufbau unserer Verteidigungssysteme keineswegs auf soliden Fundamenten ruht, sondern ausgerichtet ist auf die Unterdrückung von Studenten, politischen Oppositionellen und Gewerkschaftern. Sie sind nicht ausreichend gerüstet und ausgebildet, um die Landesgrenzen zu verteidigen.
Jetzt zur 2. Phase: Es gibt Leute, die Tag und Nacht im Verborgenen darauf hinarbeiten, dass Afrika nicht wirklich unabhängig wird, ich meine damit imperialistische Mächte, die daran interessiert sind, dass es keine wirkliche Unabhängigkeit gibt und bewirken, dass das Sicherheitssystem schlampig ist; die bewirken, dass das Bildungswesen schlampig ist und die Menschen nicht darauf vorbereiten kann, Afrika wirklich zu führen, und die bewirken, dass das herrschende Analphabetentum für sie günstig ist bei der billigen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und Bodenschätze. In allen stattfindenden Kämpfen erleben wir, dass der Terrorismus ein von diesem imperialistischen System hervorgebrachtes Mittel ist, um die afrikanischen Länder zu destabilisieren, damit sie besser ausgebeutet werden können. Das sind Verfahren, die im Dunkeln ausgearbeitet werden, damit Afrika kein stabiles Gebiet ist, das ihm ermöglichen könnte, freie Beschlüsse im Sinne seiner Entwicklung zu fassen.
Der andere Aspekt, der ebenfalls erwähnt werden muss: Wo werden die Waffen hergestellt? Die in Afrika benutzten Waffen werden nicht in Afrika produziert. Wer hat Interesse an diesem internationalen Waffenhandel? Genauso der Drogenschmuggel, der tatsächlich von solchen Praktiken in Afrika profitiert? Ich meine, dass es tatsächlich politische Beschlüsse gibt, die von imperialistischen Mächten gefasst werden, die überhaupt kein Interesse an Afrikas Stabilität haben, die daran interessiert sind, ein turbulentes Umfeld auszunutzen, um die Ressourcen Afrikas auszubeuten.
Frage: Was ist eure Position zur Anwesenheit von ausländischen Militärbasen auf eurem Territorium?
Bazié: Diese ausländische militärische Präsenz dient nichts anderem als dem Schutz imperialistischer Interessen auf dem Gebiet Afrikas. Keiner kann mir weismachen, dass Frankreich, die USA, England und andere Länder, die Militärbasen in Afrika unterhalten, die afrikanischen Interessen verteidigen wollen. Während der Vorwand des Terrorismus für die Installation in Afrika genutzt wird, werden doch die gleichen Länder ebenfalls vom Terrorismus getroffen, sind aber nicht imstande, ihn zu ersticken. Wenn sie also dermaßen effizient wären, müsste man nicht vom Terrorismus in Frankreich, in England und noch weniger in den USA sprechen. Wenn sie wirklich effizient sind, sollen sie doch dafür sorgen, dass es bei ihnen zuhause keinen Terrorismus gibt. Das könnte vielleicht ein Argument sein, um uns von der Präsenz ihrer Militärbasen in unseren Ländern zu überzeugen.
Ihr könnt feststellen, dass diese Militärbasen sich in Zonen befinden, in denen reiche Bodenschätze vermutet werden, von Öl und Erdgas, Gold, Diamanten… Es wird schwer sein, uns davon zu überzeugen, dass die o.g. Präsenz dazu dienen soll, Afrika zu stabilisieren und seine Entwicklung zu ermöglichen, ganz im Gegenteil.
Frage: Man spricht bei Burkina Faso von großen Wachstumsraten der Wirtschaft. Verbessert sich aber dadurch die Lage der Massen? Glaubst Du, dass der PNDES (Nationaler Plan für wirtschaftliche und soziale Entwicklung) die Lösung ist (2)?
Bazié: Die Umsetzung des PNDES enthält einen Wirtschaftsplan, wie seine Autoren sagen, der mit den regierenden politischen Parteien verbunden ist. Es ist ein politisches und wirtschaftliches Programm, das sich auch in die strikte Befolgung der Strukturanpassungsprogramme der 90er Jahre einreiht. Der Plan knüpft eindeutig an diesen Programmen an, die eine zunehmende Verarmung unserer Länder verursacht haben. In Burkina wurde die Armut bis zu 50% verschärft. Das hat auch ermöglicht, unser Land in die Liste der armen, hochverschuldeten Länder zu treiben.
Wie ihr wisst, wurde der PNDES in Paris mit dem Aufruf an die Kreditgeber gestartet, ihn zu finanzieren. Wie ihr wohl wisst, schöpfen IWF und Weltbank Milliarden ab mit strengen Richtlinien für den Sozialplan, die unsere Staaten zum Rückzug aus Bereichen wie dem Gesundheits- und Bildungswesen auffordern. Doch wenn jemand euer Programm finanziert und dabei sagt, dass ihr euch aus dem Bildungswesen zurückziehen müsst, heißt das euch aufzufordern, auf jede Alphabetisierung für eure Zukunft zu verzichten: doch man kann kein Land ohne sein Bildungswesen entwickeln! Somit geschieht diese Finanzierung aus dem Ausland nicht in dem Sinne, euren Ländern eine Entwicklung zu ermöglichen.
Ich sprach eben von den 49% Armen; das Bildungswesen ist blockiert, die Jahre in den Universitäten sind ohne Anfang und Ende, es gibt fast 3.000 Grundschulen in unsicheren Strohhütten. Angesichts des Gesundheitswesens bleibt der Mehrheit der Bevölkerung nichts anderes übrig, als sich mit Straßendrogen zu versorgen. Das beweist, wie sehr die Bevölkerung und die Arbeiter verarmt sind.
Nicht der PNDES muss zum Ausgangspunkt unseres Aufstiegs aus dem Elend werden. Vielmehr ist es die Bewusstwerdung und Erziehung der Massen zum Kampf gegen jede schädliche ausländische Präsenz auf unserem Boden und dafür, unser Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Das wäre die wahre Lösung für unseren Aufschwung.
Frage: Nimmt der CGT-B an der Weltkonferenz in Algier teil?
Bazié: Wir haben innerhalb des CGT-B die Einladung dazu analysiert. Im Prinzip haben wir bereits unsere Zusage gegeben. Wir untersuchen jetzt, wie wir unsere Teilnahme wirksam gestalten können. Zu gegebener Zeit werden wir unsere Teilnahme offiziell bestätigen. Unsere Hoffnung bei der ersten Analyse war, dass sogar ich als Generalsekretär persönlich komme. Wir werden das in Kürze mitteilen.
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(1) In einer gemeinsamen Erklärung haben die Gewerkschaftsbünde, die Mitglieder in der Gewerkschaftlichen Aktionseinheit sind (Confédération générale du travail du Burkina [CGT-B], Confédération nationale des travailleurs du Burkina [CNTB], Confédération syndicale burkinabè [CSB], Force ouvrière-Union nationale des syndicats [FO-UNS], Organisation nationale des syndicats libres [ONSL], Union syndicale des travailleurs du Burkina [USTB]) und die autonomen Gewerkschaften, geschrieben: „Wir fordern von der Nationalversammlung seine sang- und klanglose Rücknahme (des Gesetzentwurfs gegen das Streikrecht).“ Und weiter: „Wenn Ihre Institution so weit gehen sollte, die (…) Ablehnung der Gewerkschaften (…) zu ignorieren, wird sie vor der Geschichte die schwere Verantwortung für die dadurch entstandene Verschlechterung des sozialen Klimas tragen.“ (s. auch „Soziale Politik & Demokratie“, Nr. 378)
(2) Die Umsetzung dieser Programme wird kontrolliert und finanziert von den Kreditgebern (IWF, Weltbank, Club von Paris [eine informelle Gruppe öffentlicher Gläubiger, hier der imperialistischen Mächte]). In einer Unterstützererklärung der „Sozialpartner“ für den PNDES vom Dezember 2016 kurz vor einem neuen IWF-Kredit heißt es, dabei gehe es um einen „Strukturwandel der Wirtschaft Burkinas für ein starkes, nachhaltiges, … umfassendes Wachstum, das gute Arbeit für alle schafft und den gesellschaftlichen Wohlstand verbessert“. Die Sozialpartner rufen die „(ausländischen) Investoren auf, herzukommen, um Geschäfte zu machen“, und schreiben dem „Privatsektor die Rolle als Motor für das Wirtschaftswachstum“ zu. Der CGT-B hat es abgelehnt, dabei mitzumachen. Der Staat von Burkina Faso verschuldet sich, der öffentliche Dienst wird zerstört, doch die Gewinne werden privatisiert und füllen die imperialistischen Tresore.