Frauen und Arbeiterinnen in Palästina

Iman Abusalah, Mitglied der Gewerkschaftsfront im Westjordanland

Frage: Dein Beitrag handelte von den Problemen, mit denen die Gewerkschaftsbewegung in Palästina zu kämpfen hat. Kannst Du uns mehr darüber sagen?

 Iman Abusalah: In letzter Zeit ist die Gewerkschaftsbewegung auf dem Rückzug, weil die Palästinensische Autonomiebehörde versucht, sie zu kontrollieren. Dieses Eingreifen der Palästinensischen Autonomiebehörde besteht in der Unterdrückung der Gewerkschaftsbewegung. Die Palästinensische Autonomiebehörde will, dass die Gewerkschaftsbewegung ihren Befehlen gehorcht und ihre Anweisungen befolgt.

Wir sind uns bewusst, dass die Palästinensische Autonomiebehörde und die Unternehmer ein Abkommen geschlossen haben. Der klare Beweis ist, dass die Gesetze hauptsächlich den Interessen der Unternehmer dienen und nicht denen der Arbeiter. Die Palästinensische Autonomiebehörde hat die Privatisierung einiger Branchen, v.a. der Strom- und Wasserversorgung und der Kommunikation, zugelassen.

Und das veranlasst die Palästinensische Autonomiebehörde, darauf hinzuwirken, dass das gesamte Gewerkschaftsrecht von ihr diktiert und nicht von den Gewerkschaften bestimmt wird als ein Recht, welches die Organisierung und die Forderungen garantiert.

Frage: Das verkörpert sich konkret in der Unterdrückung?

 Iman Abusalah: Sie wird durch die Tatsache ermöglicht, dass die Palästinensische Autonomiebehörde die Privatisierungspolitik und die Unternehmerforderung nach Änderung der Gewerkschaftsrechte unterstützt.

Die Unterdrückung konnte man v.a. bei der Reform der sozialen Rechte, des sozialen Sicherungssystems erleben. Bei der Gelegenheit wurden Gewerkschaftskämpfer unterdrückt, die gegen die Reform der sozialen Rechte aufbegehrten.

 Frage: Wie findest Du die Offene Weltkonferenz, und warum nimmst Du an ihr teil?

 Iman Abusalah: Ich nehme zum zweiten Mal an einer Offenen Weltkonferenz teil. Hier sind engagierte Kollegen von allen Kontinenten versammelt, gewerkschaftlich und politisch engagierte Kollegen, ob aus der arabischen Welt oder von anderswo, um ihre politischen und gewerkschaftlichen Erfahrungen aus den verschiedenen Ländern, die auf der OWK vertreten sind, auszutauschen. Und ich stelle mit Stolz fest, wie sehr die OWK die Sache der Palästinenser unterstützt.

 Frage: Was hältst Du von der zur Zeit stattfindenden Annäherung zwischen der Hamas und der Palästinensischen Autonomiebehörde?

 Iman Abusalah: Von dieser Annäherung haben wir in der Realität nichts gesehen. Das ist mehr eine Medienkampagne unter dem Druck sei es von Saudi-Arabien oder den USA. Doch in der Wirklichkeit, im Alltagsleben, ist davon nichts zu spüren.

Eben weil Hamas den Gazastreifen kontrolliert und die Palästinensische Autonomiebehörde das Westjordanland, sind sie in der aktuellen Situation zur Annäherung gezwungen, und zwar mehr zur Verteidigung ihrer eigenen Interessen als zur Verteidigung der palästinensischen Sache.

 Frage: Du hast über die Situation der Arbeiterinnen in Palästina gesprochen. Kannst Du das noch etwas ergänzen?

 Iman Abusalah: Im privaten Sektor stellen sie 11,6% der Arbeiterschaft und im öffentlichen Sektor 19,4%. Sie arbeiten auch in den Dienstleistungen, der Textilindustrie, in den Kitas oder im privaten Bildungswesen, und nicht zu vergessen im deregulierten informellen Arbeitsbereich und in der Landwirtschaft.

Die palästinensischen Frauen leiden unter der großen Missachtung ihrer Rechte in diesen Bereichen und unter vielen Angriffen auf ihre Löhne. Dazu muss man wissen, dass der Mindestlohn ca. 400 Dollar beträgt, viele Frauen jedoch einen Lohn unterhalb von 100 Dollar erhalten. Sie haben außerdem keine soziale Absicherung; ihr Recht auf Mutterschaftsurlaub wird nicht anerkannt, und wenn sie ihn nehmen, geschieht das auf eigene Kosten.

Bei gleicher Arbeit wie die Männer gibt es keine Lohngleichheit, selbst wenn sie die gleichen Leistungen erbringen. Sie sind der Gewalt am Arbeitsplatz ausgesetzt. Sie haben keinen Zugang zur Arbeitsmedizin, auch nicht bei Berufskrankheiten.

Ich möchte kurz etwas über die Frauen sagen, die in den besetzten Gebieten arbeiten. Sie arbeiten als Haushaltsgehilfinnen in der Landwirtschaft und leiden unter sehr viel mehr Gewalt und Brutalität als die Arbeiterinnen in Gaza oder dem Westjordanland. Man weiß nicht, wie viele es sind. Es gibt keine organisierte Kontrolle. Sie sind bei Verleihfirmen angestellt, die sie in die Bauernhöfe vermitteln. Einige haben Arbeitsverträge, andere nicht.

Diese Frauen, die in den besetzten Gebieten von früh morgens bis abends arbeiten und viel Zeit für die Fahrten aufbringen müssen, sind sehr der Gewalt und Vergewaltigung ausgesetzt. Auf dem Weg zur Arbeit passieren einige legal die Checkpoints, andere überqueren illegal die Mauern oder kriechen durch die Kanalisation in die besetzten Gebiete.

Die meisten Frauen, die zur Arbeit in der Landwirtschaft der besetzten Gebiete gehen, bleiben dort bis zu zwei Monaten für die Ernten und leben in Zelten. Sie sind also ziemlich lange von ihrem Zuhause getrennt.

Ich möchte auch über das palästinensische Volk insgesamt sprechen, um auf das Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen hinzuweisen: 49% sind Frauen und 51% Männer. Und die palästinensische Frau erreicht ein hohes Bildungsniveau. Viele von ihnen lehren an der Universität, im öffentlichen oder privaten Sektor, und einige bekleiden hohe Posten. Aber die meisten hohen Posten werden noch immer von Männern besetzt.

Deshalb fordern wir soziale Gerechtigkeit, weil die Qualifikationen der Frauen nicht geringer als die der Männer sind. Wir fordern deshalb die Änderung der Arbeitsgesetze und v.a. des Gesetzes Nr. 7 von 2000, Mutterschaftsurlaub und die gesetzliche Anerkennung derjenigen Frauen, die als Haushaltsgehilfinnen arbeiten.