NIGER: Amadou Djibo

Fragen an Amadou Djibo, Pressesprecher des CGSL-Niger (Bund der freien Gewerkschaften), Delegierter zur 9. Offenen Weltkonferenz in Algier

12 Nigel

Frage: Welche Bilanz ziehen Sie von der Offenen Weltkonferenz in Algier, und was folgt für Sie daraus?

Amadou Djibo: Die Delegation aus Niger hat eine Bilanzsitzung organisiert. Wir sind sehr zufrieden mit der Qualität der Organisation und des Empfangs, mit der Höflichkeit und dem Respekt in den Debatten.

Wir konnten Kontakte zu Kollegen aus anderen Ländern knüpfen, was uns ermöglichte, die auf der Konferenz begonnene Debatte fortzusetzen. Für das nächste Mal hoffen wir, die Redezeit im Voraus zu erfahren, um entsprechend zu planen. Wir haben das Büro eines IAV-Verbindungskomitees in Niger mit fünf Delegierten aus Niger eingerichtet für die Koordination der Aktivitäten.

Wir werden am Treffen des internationalen Verbindungskomitees in Paris teilnehmen. Wir hoffen zwei Kollegen entsenden zu können entsprechend der Probleme in unserem Land.

Frage: Wie ist die Lage in Niger, was die Sicherheit der Bevölkerung betrifft?

  1. Djibo: Die Lage ist sehr kritisch. Jetzt beginnen aber die Nigerianer zu erkennen, dass sie bewusst von den ausländischen Mächten mit der Einrichtung dieser Militärbasen in unserem Land geschaffen wurde.

Man muss darauf hinweisen, dass die Einrichtung dieser Militärbasen irregulär ist. Laut unserer Verfassung muss in einem solchen Fall das Parlament konsultiert und ein Vertrag abgeschlossen werden, der die Einrichtung dieser Militärbasen erlaubt. Die Regierung hat nichts von dem unternommen. Die Basen wurden gebaut, um angeblich die Terroristen zu bekämpfen, aber davon kann nicht die Rede sein. Niger wird vo

n ihnen immer noch angegriffen. Vor zwei Tagen haben sie unsere Streitkräfte angegriffen: 11 Soldaten wurden getötet, Material gestohlen, und es gibt Vermisste. Merkwürdig ist, dass die Angreifer ohne Probleme ein und ausgehen und sich ungestört entfernen.

Diese Basen gefährden unser Land, sie schützen nur die Interessen der imperialistischen Mächte. Franzosen, Amerikaner, Deutsche und Italiener werden als Besatzungsmächte kommen, wir selbst brauchen die Militärbasen nicht. Dadurch wird die Souveränität unseres Landes infrage gestellt. Wir fordern dass wir unsere Ressourcen selbst ausbeuten können. Die anderen kommen, um sie zu plündern, das Volk profitiert überhaupt nicht.

Die Nigerianer wollen die Basen nicht. Die nigerianische Jugend ist entschlossen, deren Bau zu bekämpfen. In den Demonstrationen gegen das Haushaltsgesetz taucht die Frage der Militärbasen wieder auf. Die Nigerianer sind entschlossen, der Kampf hat gerade begonnen. Er wird bis zum endgültigen Abzug der ausländischen Truppen fortgesetzt.

Frage: Seit mehreren Monaten haben sehr große Demonstrationen gegen da

s Haushaltsgesetz stattgefunden. Können Sie uns sagen, worum es geht?

  1. Djibo: Wir haben das Haushaltsgesetz als teuflisch und antisozial bezeichnet. Die Regierung hat die multinationalen Konzerne wie Areva vollständig von der Mehrwertsteuer befreit und internationale Telefonkonzerne von Steuern auf eingehende Anrufe befreit. Das bedeutet für uns fast 20 Milliarden weniger Einnahmen. Dagegen haben sie Steuern für die armen Bürger eingeführt: Stromsteuer, Verkehrssteuern, die sofort gestiegen sind, Mehrwertsteuer für Waren des Grundbedarfs, Gebühren für alle amtlichen Papiere usw.

Die Armut steigt. Die Organisationen der Zivilgesellschaft und Gewerkschaften haben die ersatzlose Streichung dieses Gesetzes gefordert. Wir haben gefordert, dieses Gesetz nicht zu verabschieden und in Kraft zu setzen, doch das wird leider geschehen.

Wir werden weiter Demonstrationen organisieren bis das Gesetz zurückgenommen wird. Es darf nicht angewendet werden. Das ist unser Wille.

Frage: Niger hat ein Abkommen mit der Europäischen Union geschlossen, um die Flüchtlinge im Lande zu halten. Wie steht Ihr zu dieser Frage?

  1. Djibo: Die Regierung hat sich auf ein Gesetz gestützt, um die Flucht durch die Wüste zu verhindern. Dieses Gesetz steht im Widerspruch zu den von unserem Land ratifizierten internationalen Verträgen. Niger ist Mitglied der Cedeao (Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten, ECOWAS, d. Red. ). Es hat den Vertrag über die freie Zirkulation von Menschen und Waren im Cedeao-Raum ratifiziert.

Wir prüfen, ob das Gesetz juristisch anfechtbar ist.

Die Flüchtlinge sind auf Fluchthelfer angewiesen und riskieren ihr Leben. Einige Gewerkschaften haben gemeinsame Hilfe organisiert: doch wir haben gesagt, das ist nicht die Lösung.

Man kann nicht das Eine und gleichzeitig das Gegenteil wollen. Die Globalisierung schließt auch die Zirkulation von Menschen ein. Das kann nicht nur in einer Richtung geschehen: die Menschen aus dem Westen reisen ohne Probleme zu uns, doch die jungen Afrikaner werden an der Ausreise gehindert. Dabei ist bekannt, welche Schwierigkeiten sie täglich in ihren Ländern erleben, die sie in die Flucht treiben!

Frage: Sie haben und werden weiterhin die Lehrer gegen ihre „Evaluierung“ mobilisiert. Können Sie uns erläutern, worum es dabei für die Bildung geht?

  1. Djibo: Das Ziel der Regierung ist die Kürzung der Lohnsumme, nichts anderes. Im allgemeinen Dienstrecht des öffentlichen Dienstes ist klar definiert, wie man die Lehrer beurteilen kann: nur im Unterricht selbst mit den Schülern.

Die Regierung hat diese Bestimmungen missachtet und eine „Evaluierung“ auf der Grundlage einer Prüfung in Mathematik und Französisch organisiert, um die Lehrerexamen infrage zu stellen. Sie sind Beamte mit BEPC, Abitur und erfolgreichem Studienabschluss.

Die Regierung macht Tabula rasa mit den staatlichen Examen. Wir sagen, das ist eine illegale und willkürliche „Evaluierung“. Über 12.000 Lehrer wurden dadurch entlassen.

Stellt euch vor, wie viele Schüler so sich selbst überlassen werden und nicht in die Schule gehen: bei 40 Schülern pro Klasse bedeutet das 40 x 12.000 Schüler o

hne Lehrer!

Und die angestellten Lehrer werden nicht bezahlt: das ausgebliebene Gehalt vom November wurde letzte Woche ausgezahlt, das Dezembergehalt am 21. Januar. Außerdem sind die Gehälter lächerlich niedrig: nicht mehr als 60-70.000 Franc CFA (90-105 Euro!).

Wir haben gerade einen Streik beendet, die Demonstration ist verboten. Der Bürgermeister hat allgemein Demonstrationen an Wochentagen verboten. Wir wollen aber diese Demonstration wiederholen.

Frage: Was soll man von Macrons Ankündigung bei seiner Reise nach Niamey halten, dass Frankreich 15 Millionen Euro spenden will, damit mehr Mädchen zur Schule gehen?

  1. Djibo: Das ist Heuchelei. In Wahrheit meinen sie damit die Bevölkerungsentwicklung, wagen dieses Tabu in Niger aber nicht offen anzusprechen.

Doch Niger hat kein demographisches Problem, unser Land ist 1,2 Millionen Quadratkilometer groß für ca. 18 Millionen Einwohner. Wir verfügen über genug Ressourcen, an deren Nutzung wir aber gehindert werden, sonst bräuchten wir keine Hilfe. Nicht nur die Mädchen gehen nicht zur Schule. Das gesamte Bildungswesen ist unterfinanziert. Es gibt 30.000 Schulklassen in Strohhütten, keine Infrastruktur, keine Schulbücher usw. Macron ist 40 Jahre alt, und in Niger wurde 40 Jahre lang Uran gefördert. Unser Uran hat Macrons Bildung finanziert, während nigerianische Kinder nicht zur Schule gingen und gehen.

Deshalb fordern wir, dass der Areva-Konzern Mehrwertsteuer zahlt (Der französische Großkonzern Areva baut im Niger im großen Stil Uran ab, d. Red.). Die 2012 mit Areva geschlossenen Verträge sind immer noch nicht im Amtsblatt der Republik Niger veröffentlicht, was ein ungeheuerlicher Verfassungsbruch ist. Sie sind dabei, unsere Ressourcen zu plündern und unser Bildungswesen mit dieser „Evaluierung“ zu zerstören. Das wurde vom IWF und der Weltbank diktiert, und man weiß, wer diese Institutionen lenkt.

Das Gespräch führte Jacques Diriclet.