Die Verteidigung und Wiederherstellung des Sozialstaates verlangen das umfassende gewerkschaftliche Streikrecht

(Gekürzte Zusammenfassung des deutschen Beitrags auf dem IVK)

In Deutschland wurde nach Monaten der Unfähigkeit zu einer Regierungsbildung im März die 3. Große Koalition von CDU und SPD als ein Notbündnis konstituiert. (…). Kanzlerin Merkel brauchte die SPD und die Verbindung der SPD zu den Gewerkschaften für eine neue GroKo, um gegen die massive Ablehnung der gesellschaftlichen Mehrheiten die verschärfte Agenda-Politik fortsetzen zu können. Und die SPD-Führung brauchte einige Zeit, um gestützt auf die entscheidende Hilfe der Gewerkschaftsführung, nach der schweren Wahlniederlage den SPD-Mitgliedern eine formelle Mehrheit zu einem neuen selbstmörderischen Abenteuer GroKo abzupressen. Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Deutschland in die schwere politische Krise aller Regierungen der EU eingereiht hat und zum Faktor der Beschleunigung der Verfallskrise der EU und des Euro geworden ist. (…)

Diese neue Große Koalition hat den Auftrag des Finanzkapitals mit der zerstörerischen Agenda-Politik und ihren Hauptwaffen der Schuldenbremse/Austerität und dem Gebot der Wettbewerbsfähigkeit von Profit und Rentabilität in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst bis zu Ende zu gehen mit der Offensive gegen die historischen Errungenschaften der Arbeiterklasse und der Demokratie, die sich in Deutschland in den Institutionen des sog. Sozialstaates konzentrieren. (…)

Gleichzeitig erleben wir, dass in dieser politischen Situation, in der die SPD der Arbeiterklasse die politische Interessensvertretung verweigert, die Arbeitermassen verstärkt nach ihren Gewerkschaften greifen für ihren Kampf gegen die Deregulierung der Arbeitsverhältnisse – für die Verteidigung ihrer Tariflöhne und -verträge und gegen die weiter um sich greifende Tarifflucht und Prekarisierung; und ebenso gegen die verschärfte Fortsetzung der Kaputtsparpolitik unter dem Diktat der Schuldenbremse In allen Kämpfen tritt eine Frage ins Zentrum der Diskussion: Die Frage des Streikrechts. (…)

Entsprechend dem “Historischen Kompromiss von Kapital und Arbeit“ der Nachkriegszeit respektieren die Gewerkschaftsführungen das Verbot von Streiks gegen Regierungsmaßnahmen (wie outsourcing, Kaputtsparpolitik von staatlicher Infrastruktur und Kommunen). Sie beschränken sich auf die Integration in die Institutionen der politischen Mitbestimmung an Gesetzesvorhaben und Regierungsmaßnahmen, um im Sinne einer „sozialverträglichen Gestaltung“ auf die arbeiterfeindlichen Maßnahmen Einfluss zu nehmen. Ebenso akzeptieren sie das Streikverbot gegen alle strategischen Unternehmensentscheidungen, wie Flucht jeder Art aus den großen nationalen Flächentarifverträgen, z.B.  in Form von Leiharbeit und Werkverträgen, Privatisierung, Befristungen, Ausgliederungen, aber auch gegen Entlassungen und Betriebsschließungen. Sie begrenzen sich im Rahmen der Sozialpartnerschaft auch hier auf ihre „sozialverträgliche Gestaltung“ oder auch das, was sie als Regulierung der Deregulierung bezeichnen.

Niemand kann bezweifeln,

  • dass 1. die Schuldenbremse, die das Sozialstaatsprinzip der Verfassung aushebelt;
  • dass 2. arbeiterfeindliche Gesetze wie die der Agenda zur Demontage der Rente, Kranken- und Arbeitslosenversicherung und
  • dass 3. die gesetzliche Förderung und strategischen Unternehmensentscheidungen zur Deregulierung der Arbeitsverhältnisse und Flucht aus den von dem von den Gewerkschaften garantierten System allgemeinverbindlicher Flächentarifverträge

nicht von zerstörerischer Auswirkung auf die „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ der Arbeiter und Jugend sind.

 

Das durch die Verfassung garantiert Recht zur Verteidigung dieser Arbeits- und Lebensbedingungen sowohl in der Privatwirtschaft wie im öffentlichen Bereich alle gewerkschaftlichen Mittel einzusetzen, einschließlich des Streiks, müssen sich die KollegInnen im Konflikt mit den Gewerkschaftsführungen erst wieder aneignen.

Die Arbeiter haben vermehrt die Organisierung ihrer Streiks durch die Gewerkschaften erkämpft, z.B. im Kampf gegen die Regierungen in den Ländern für Tarifverträge für mehr Personal in Krankenhäusern und Schulen, sowie mit ihrem gewerkschaftlichen Kampf für die (Rück-) eroberung von Flächentarifverträgen, gegen Ausgliederungen und Prekarisierung.

Liebe Kolleg*innen

wir sprechen hier für gewerkschaftlichen und politischen Kolleg*innen, die sich in unabhängigen politischen Arbeitskreisen für unabhängige Arbeitnehmerpolitik versammeln, die in Verbindung mit der Zeitung Soziale Politik und Demokratie stehen. Sie sehen ihre Aufgabe darin, zu diskutieren, wie sie den Kollegen helfen können, die politischen Hindernisse zu überwinden, die die vereinte Mobilisierung der Arbeiter und Jugend mit ihren Organisationen verhindern.

Der Kampf für die politische Reorientierung der Klasse und der gewerkschaftlichen und politischen Arbeiterkader konzentriert und konkretisiert sich in der Forderung des Bruchs mit der vom Finanzkapital diktierten Agenda-Politik.

Das ist die politische Reorientierung auf die Interessen und Forderungen der Arbeiterklasse, Jugend und Demokratie zur Verteidigung und Wiederherstellung der historischen Errungenschaften des Sozialstaates.

Und das eröffnet die Perspektive einer politischen Lösung aus dem sozialen und politischen Zerstörungsprozess des kapitalistischen Systems, die in einem späteren Entwicklungsstadium sich in der entsprechenden Lösung der Regierungsfrage konkretisiert.

Die Arbeiterschaft und Völker weltweit sind konfrontiert mit einer vorn Finanzkapital diktierten und seinen politischen Institutionen (wie IWF, EU und alle Regierungen) umgesetzten allgemeinen Zerstörungsoffensive. Die Arbeiterklasse in Deutschland und Europa ist aufgerufen, durch die Entfaltung ihres Klassenkampfes sich an die Spitze der Volksmassen zu setzen und eine politische Perspektive aus dem allgemeinen sozialen und politischen Niedergang zu eröffnen.

Denn in der Entfaltung dieser Klassenkämpfe wird die Regierungsfrage und politische Machtfrage aufgeworfen, und dadurch die politischen Bedingungen geschaffen für die Eroberung der politischen Macht für die Arbeiter und Völker – in Europa: mit dem freien Bündnis der souveränen Völker, Nationen und Staaten auf der Grundlage der Arbeitersolidarität, in der Perspektive der Vereinigten sozialistischen Staaten von Europa. .

Um den permanenten Austausch über diese Fragen unter uns zu organisieren, sollten wir uns über eine verstärkte Koordinierungsarbeit durch eine verstärkte Koordination der IAV verständigen.