Meinungsaustausch zwischen den Delegierten aus Weißrussland, Lettland, der Ukraine und Russland während der Konferenz des IVK in Paris

Simon (Russland): Eine solche Konferenz ist wirklich nützlich. Tatsächlich sieht der praktische Kampf der Arbeiterklasse in jedem Land anders aus, und hier gibt es die Möglichkeit, zu verstehen und zuzuhören. Das ist ein internationaler Kampf, der uns verbindet. Es gibt die Möglichkeit, sich zu solidarisieren und gemeinsam zu handeln. Ich halte es für gut, solche Treffen auch zukünftig zu organisieren.

Maxime (Weißrussland): Das ist der Rahmen, in dem ich die praktische Erfahrung aus Ländern wie Senegal oder Benin kennenlernen konnte. Wir müssen uns über die spezifischen Probleme eines jeden austauschen. Denn auch wenn wir in verschiedenen Situationen leben und unterschiedliche Probleme haben, verfolgen wir doch ein gleiches Ziel.

Oskar (Lettland): Ich stimme euch zu. Das ist das Interessante an dieser Konferenz: die Arbeiter und die verschiedenen Organisationen zu versammeln und zu solidarisieren, denn das ist notwendig. Das ist ein Stützpunkt für uns. In Lettland werden die Streikposten und Demonstrationen überwacht. Für die Jobs auch im öffentlichen Bereich gibt es heute nur Verträge ohne Garantien. Bei den öffentlichen Arbeiten für Flughäfen und Infrastrukturen unter staatlicher Leitung werden dennoch prekäre Arbeiter beschäftigt.

Yarina (Ukraine): Ich möchte auf die Gemeinsamkeit besonders mit Brasilien, Südafrika und Osteuropa angesichts der Frage hinweisen, welche Möglichkeiten die Gewerkschaften haben, für die Arbeiterrechte zu kämpfen. In diesen ganzen zwei Tagen waren die Informationen der Kollegen über die Lage in Algerien und ihr Eingreifen besonders aufschlussreich.

Mein Wissensstand über die Situation ist nach der Konferenz nicht mehr der gleiche. Ich bin sehr zufrieden, dass ich an den Beratungen des IVK teilnehmen konnte; und es ist wichtig, dass das IVK sich für die Freilassung von Oleg Sentsov und Alexander Koltchenko sowie der 70 politischen Gefangenen aus der Ukraine, die in Russland inhaftiert sind, einsetzt (siehe Kasten). Das ist eine sehr wichtige Frage für mein Land, für meine Organisation.

Simon: Ich möchte hervorheben, was im Zentrum der Diskussion stand. Ich denke, dass die Probleme tatsächlich gleichartig sind, denn sind sie wirklich verschieden von einem Land zum anderen, von einer Stadt zur anderen?

Was Russland betrifft, ist es wichtig zu verstehen, dass die katastrophale Wirtschaftslage, die große Protestbewegungen hervorruft, dazu führt, einen revolutionären Weg zu eröffnen, wie ich meine. Und die Tatsache, dass die Bevölkerung keine politische Alternative sieht, ist ein Problem. Die meisten Menschen kennen nicht die Existenz unserer Partei, einer Partei, die ihre Interessen vertreten kann. Und es scheint mir wichtig zu sein, dass wir uns umfassend den Arbeitern zuwenden.

Maxime: Die Erfahrung in einigen Ländern beweist, dass der Dialog mit den Arbeitern der Weg zum Aufbau der Arbeiterorganisationen ist. Der Staat, die Regierung, sind nicht das Volk. Und wenn die Arbeiter nicht tatsächlich ihre Interessen vertreten – denn ihre Rechte fallen nicht vom Himmel, sondern müssen erobert werden –, wenn sie ihre Interessenvertretung an andere delegieren (damit meine ich nicht die Arbeiterräte / Sowjets), geschieht gar nichts. Weißrusslands Zukunft macht große Sorgen. Es gibt schwere Bedrohungen, die von Russland ausgehen und von der Regierung. Die Frage der demokratischen Freiheiten ist wichtig.

Yarina: In der Ukraine herrscht eine besondere Situation: das Land ist seit 2014 im Krieg. Ich denke, dass das Handeln der stalinistischen Parteien die reaktionärsten und nationalistischsten Parteien gefördert hat, während gleichzeitig eine ultraliberale Politik betrieben wird. Wir erleben zurzeit einen furchtbaren Angriff auf das öffentliche Gesundheitswesen: nur noch die Notaufnahmen werden kostenlos sein, aber nicht mehr die Behandlung oder Operationen oder die ganze folgende Versorgung.

Anton (Russland): Diese Fragen, die unsere Konferenz aufwirft, sind den Arbeitern kaum bekannt. Wir müssen weitermachen. Eine solche Konferenz muss uns ermöglichen, eine noch breitere Diskussion mit den Arbeitern und ihren Organisationen zu eröffnen. Die Machtergreifung ist das eine. Man muss die Arbeiter organisieren. Die Diskussion mit den Arbeitern und ihren Organisationen, die sich auf sie berufen, vorschlagen und eröffnen, und an solchen Konferenzen teilnehmen.

Simon: Man erkennt, dass das Problem der politischen Führung der Arbeiter eine internationale Dimension annimmt, und die Frage der Unabhängigkeit der Gewerkschaften stellt sich nicht überall gleich. Es gibt unabhängige Gewerkschaften. Es gibt außerdem privilegierte Gewerkschaften als Transmissionsriemen der Regierungspolitik, komplett „entpolitisierte“ Gewerkschaften. Meiner Meinung nach müssen wir nicht nur um die Unabhängigkeit der Gewerkschaften kämpfen, sondern um ihre Unabhängigkeit und ihren „kommunistischen“ Charakter.

Anton: Für mich ist klar, dass wir uns an alle Arbeiter wenden müssen, die Diskussion dort suchen und eröffnen, wo die Arbeiter organisiert sind.