LOUISA HANOUNE VOM MILITÄRGERICHT ZU 15 JAHREN STRENGER HAFT VERURTEILT

„Die Verurteilung von Louisa Hanoune geschah ohne Beweise“

Der Anwalt Mokrane Ait Larbi hat gestern auf das Kommuniqué des Militärgerichts geantwortet. Als Anwalt von Louisa Hanoune, Generalsekretärin der PT, hat er dementiert, dass der Prozess, der gestern mit der Verurteilung von Louisa Hanoune, Said Bouteflika, Mohamed Mediene und Athmane Tartag zu 15 Jahren Gefängnis endete, öffentlich gewesen sei.

(Alle Texte zum download 015 IAV Briefe)

In einer langen Veröffentlichung auf seiner facebook-seite erklärte er, dass nur eine „sehr begrenzte Anzahl von Familienmitgliedern einiger Angeklagter an der Anhörung teilnehmen konnten. Er fügte hinzu, „dass das Gebiet von Sicherheitskontrollen umzingelt war, die den Zugang zum Militärgericht für Bürger und Journalisten unmöglich gemacht haben.“

Auf Grund dieser Fakten weist Herr Ait Larbi daraufhin, dass, „obwohl der Präsident die Sitzung nicht offiziell als nicht öffentlich angekündigt hat, sie nicht öffentlich war. Der einfachste Beweis dafür ist, dass es Journalisten nicht erlaubt wurde, in die Nähe des Gerichtssaales zu kommen.“

Der Anwalt von Louisa Hanoune meint daher, dass ihre Verurteilung erfolgt ist, „ohne einen Beweis für ein Komplott und, es gibt nicht einmal eine mutmaßliche Registrierung für ein Treffen, das ungefähr eine Stunde dauerte.“

Der Anwalt stellte noch weitere Verstöße bei dem Prozess fest. So wurde es der Verteidigung nicht erlaubt, eine Kopie des Dossiers zu erhalten. Und trotz der eindringlichen Forderung der Verteidigung hat das Gericht den ehemaligen-Präsidenten Liamine Zeroual als Zeugen abgelehnt. Dasselbe gilt für Tayeb Belaiz, ehemaliger Justizminister und Präsident des Verfassungsrates, der Fragen beantwortete, die „zugunsten der Angeklagten“ gewesen wären.

Mokrane Ait Larbi kritisierte das Schnellverfahren, mit dem das Militärgericht den Fall durchführte: „Ein fairer Prozess verlangt, dass der Prozess eine Woche, wenn nicht mehr dauert. Doch die Urteile wurden nach vier Sitzungen am Morgen und Abend gefällt, wobei zu beachten ist, dass es bei der ersten Sitzung am Morgen um die Verteidigung und das Verfahren ging,“ schrieb er.               Aus: Liberté (algerische Tageszeitung),  vom 25. September 2019

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PT AkabarIxeddamen –Parti des Travailleurs – حزب العمال

Erklärung 26. September 2019

Der vom Militärgericht in Blida organisierte politische Prozess hat sein politisches Urteil spät in der Nacht vom 24. auf den 25. September 2019 gefällt. Nach einer Justizfarce mit lauter Lügen im Schnellverfahren abgehandelt, wurde Louisa Hanoune, die Generalsekretärin der Arbeiterpartei (PT), zu 15 Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. In dem Prozess wurde alles getan, um ihr Schicksal in einem Amalgam mit dem der anderen Angeklagten zu verbinden, die hohe Ämter im System ausgeübt haben. Dadurch sollte ihr der Status als politische Gefangene genommen werden.

Die PT lehnt diesen Schandprozess ab, der das politische Handeln kriminalisiert.

Louisa Hanounes Teilnahme an dem Treffen am 27. März mit Said Bouteflika — dem Berater des gestürzten Präsidenten, der damals noch im Amt war -, um ihren Standpunkt über die politische Lösung darzustellen, wurde als Alibi missbraucht, um sie ins Gefängnis zu werfen, zum Schweigen zu bringen und sie von der laufenden Revolution zu isolieren.

Die PT erinnert daran, was ihre Generalsekretärin auf diesem Treffen gesagt hat:

Rücktritt des Präsidenten Abdelaziz Bouteflika, Rücktritt der Regierung, Auflösung der beiden Parlamentskammern und dem Volk das Wort geben für die Wahl einer Verfassunggebenden Nationalversammlung.

Diese Forderungen geben wieder, was Millionen Algerierinnen und Algerier seit Monaten fordern: Weg mit dem System und seinen Institutionen, Symbolen, Praktiken…

Die faktischen Machthaber tun alles, um das Ansehen von Louisa Hanoune und ihren Lebenslauf als Oppositionelle gegen das System in den Dreck zu ziehen, D.h. die „Machthaber“ haben beschlossen, sich an ihr für ihre unerschütterlichen Positionen gegen sie zu rächen, und sie als ihnen Gleichgesinnte darzustellen.

Louisa Hanoune hat vierzig Jahre lang das System der Einheitspartei bekämpft. Sie war Oppositionelle im Untergrund, wurde zwei Mal verhaftet und ins Gefängnis geworfen. 1983-84 war sie 6 Monate lang im Gefängnis, weil sie gegen das Familiengesetz und für die Frauenrechte gekämpft hatte. 1988 wurde sie erneut von der Militärpolizei 72 Stunden lang inhaftiert, während das Regime in diesem Jahr den Oktoberaufstand in einem Blutbad unterdrückt und v.a. 500 Jugendliche ermordet hat.

In dem Gründungsprogramm der Arbeiterpartei PT 1990 stand die Frage der Überwindung des Systems / Regimes mit Hilfe der Verfassunggebenden Nationalversammlung. Dieses Programm wurde damals für die Legalisierung der PT beim Innenminister eingereicht. Louisa Hanoune hat es jahrelang immer wieder verteidigt, erst als PT-Sprecherin, dann als Generalsekretärin.

Louisa Hanoune war gegen den Abbruch des Wahlverfahrens 1991, der den Auftakt zur nationalen Tragödie bildete.

Louisa Hanoune hat die vom Regime angestrebte Lösung abgelehnt und hat sich gemeinsam mit historischen Führern wie Ait Ahmed, Mehri, Benbella, Ali Yahi…. am Vertrag von Rom 1994/1995 für die Wiederherstellung des Friedens beteiligt. Der Friede wurde dann erreicht, nach hunderttausenden Toten, tausenden Verschwundenen und unermesslichen Schäden.

Sie wandte sich in den 1990er Jahren mit aller Macht gegen das Strukturanpassungsprogramm des IWF und dessen verheerende Folgen für das Land (1,2 Millionen Arbeitnehmer*innen wurden entlassen und 1500 Betriebe geschlossen), um die Souveränität Algeriens zu verteidigen, und gegen seine Unterwerfung unter das internationale Kapital.

Louisa Hanoune hat mit der von ihr geführten PT die Politik der Privatisierung und des Ausverkaufs des Volksvermögens bekämpft. Sie hat einen erheblichen Anteil an großen Siegen für die algerische Nation, v.a. der Wiederverstaatlichung des Stahlwerkes in El Hadjar; an der Rücknahme des Gesetzes für die Privatisierung der Öl- und Gasindustrie, an der Rettung der Errungenschaften der Unabhängigkeit.

Louisa Hanoune und die PT haben sich für die Wiederinbetriebnahme der geschlossenen Betriebe eingesetzt. Als Schutz für die nationale Wirtschaft hat sie für die Regelung der Kapitalbeteiligungen 51/49 zugunsten des Staates gekämpft. Diese Regelung wird von der jetzigen Regierungsmacht im Entwurf des Staatshaushalts 2020 infrage gestellt, um ausländische Mächte zufrieden zu stellen.

Louisa Hanoune und die von ihr geführte PT haben immer für die offizielle Anerkennung der Berbersprache Tamazight, der Kultur und Identität der Berber gekämpft.

Louisa Hanoune hat den Eintritt in alle Regierungen von Bouteflika seit 1999 verweigert.

2015 hat sie gemeinsam mit Kämpfern der algerischen Revolution wie Lakhdar Bouragaa, Zohra Drif, Guerroudj Abdelkader, Lamkami Mohamed und anderen Persönlichkeiten (mit dem Brief der Gruppe der 19) die räuberische Oligarchie und die Sparpolitik, unter der die Mehrheit des Volkes leidet, angeklagt. Dieser Brief richtete sich direkt gegen diejenigen, die im Verborgenen die Staatsgeschäfte leitete.

Louisa Hanoune hat sich klar und offen auf die Seite der Revolution vom 22. Februar 2019 gestellt. Sie hat eine 5. Amtszeit von Bouteflika abgelehnt, danach weigerte sie sich, an den Präsidentschaftswahlen teilzunehmen, für die A. Bouteflika kandidiert hat. Sie wandte sich gegen die Verlängerung seiner 4. Amtszeit und weigerte sich, an den Präsidentschaftswahlen am 4. Juli teilzunehmen, die schließlich vom Volk verhindert wurden.

Die von Louisa Hanoune geführte PT beschloss den Austritt ihrer Parlamentsfraktion aus dem Parlament (APN), um die Revolution zu stärken und so die Falle des Verfassungsartikels 102 (Amtsenthebungsverfahren, d. Übers.) zu vermeiden, der das Land in die heutige Sackgasse getrieben hat.

Louisa Hanoune, die das System seit über 40 Jahren bekämpft hat, ist eine internationalistische, anti­imperialistische Kämpferin.

Am Vorabend der imperialistischen Aggression gegen den Irak im Januar 1991 hat sie an der internationalen Konferenz gegen Krieg und Ausbeutung in Barcelona teilgenommen. Sie ist Mitgründerin der auf dieser Konferenz beschlossenen Internationalen Verbindung der ArbeitnelunerInnen und Völker (IAV). Einige Jahre später wurde sie eine der IAV-Koordinatoren.

Als sich am Vorabend der Präsidentschaftswahlen 2014 die Gefahr einer amerikanischen Militärintervention am Horizont zusammenbraute, berief sie eine internationale Versammlung zur Verteidigung der Souveränität von Algerien ein, an der Delegationen aus vielen Ländern teilnahmen.

Sie hat zusammen mit der IAV mehrere anti-imperialistische internationale Konferenzen im Ausland und in Algerien gegen Krieg und Ausbeutung organisiert.

Sie hat im Parlament (APN) eine internationale Konferenz für die Verteidigung Palästinas organisiert, an der sich Delegationen aus der ganzen Welt beteiligten.

Es ist also dieser ständige Kampf gegen das System, für die jene sich rächen wollen, die sie inhaftiert und dann zu einer harten Gefängnisstrafe ohne Bewährung (15 Jahre) verurteilt haben.

Nach Ansicht der PT wurde Louisa Hanoune in diesem politischen Schnellprozess verurteilt, um ein Exempel zu statuieren, um zu terrorisieren und zu versuchen, alle Stimmen zum Schweigen zu bringen, die sich gegen die faktische Regierungsmacht erheben.

Gleiches gilt für die Inhaftierung von Lakhdar Bouragaa, Samira Messouci, Samir Benlarbi, Foudil Moumala und die vielen anderen politischen Gefangenen.

Im Visier steht die Revolution des Volkes, das Schluss mit dem System / Regime machen will. Dagegen richtet sich der Regimeterror, der die Revolution ersticken und mit aller Gewalt seine Pläne durchsetzen, d.h. die Präsidentschaftswahlen am 12. Dezember 2019 gegen die Meinung von Millionen Algerierinnen und Algeriern organisieren will.

Deshalb appelliert die PT, deren Zeugen die Algerierinnen und Algerier sind, an alle Parteien, Gewerkschaften, Organisationen, Persönlichkeiten…, ihre Ablehnung der Willkür, die ihre Generalsekretärin getroffen hat, zu bekunden. Denn durch das Schandurteil gegen Louisa Hanoune wird das Mehrparteiensystem angegriffen; es ist die Demokratie, die von der Konterrevolution angegriffen wird.

  • Freiheit für Louisa Hanoune und alle politischen Gefangenen!
  • Nieder mit den politischen Prozessen!
  • Das Wort dem algerischen Volk, damit es selbst über sein Schicksal bestimmen kann!

Algier, 26. September 2019 — Politisches Büro der PT


„Prozess der Vier“ –

Die Enthüllungen des Anwalts von Louisa Hanoune

Das Urteil im  Prozess von Blida fiel in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch. Louisa Hanoune, Saïd Bouteflika, General Toufik und General Tartag wurden wegen „Verletzung der militärischen Autorität“ und „Verschwörung gegen die Staatsgewalt“ zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.

Die anderen flüchtigen Angeklagten, darunter General Nezzar und sein Sohn Lotfi, wurden zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Louisa Hanounes Anwalt, Herr Boudjemaâ Ghechir, erklärt, dass er und seine Mandantin durch das Urteil nicht zufrieden gestellt seien.

„Natürlich werden wir Berufung einlegen. Wir sind mit dem Urteil nicht zufrieden, denn was sie getan hat, war Teil ihrer politischen Tätigkeit und man kann politische Aktionen nicht kriminalisieren. Sie ist nicht von ihrem Ziel abgewichen. Sie hat nur ihre Meinung gegenüber dem Berater von Präsident Bouteflika geäußert, nicht mehr und nicht weniger. Ihre Ansichten waren nicht übereinstimmend“, sagt er zu Beginn in einer Erklärung gegenüber der TSA.

All das hat Frau Hanoune vor Gericht erklärt, stellt ihr Anwalt klar „Sie beantwortete die Fragen des Richters in vollkommener Klarheit, führte sogar eine hochrangige politische Analyse durch und gab Erläuterungen zur politischen und sozialen Situation sowie zu ihrem Standpunkt zur Krise und zu dem, was sie als die Lösung sieht“, fügt er hinzu.

„Frau Hanoune hat sich gut verteidigt und alle Vorwürfe zurückgewiesen. Sie sprach so gut, dass mich der Präsident des Gerichts darauf hinwies, dass sie mir nichts zu sagen übrig gelassen habe“, sagt ihr Anwalt.

„Vor allem, als Said Bouteflika und Mohamed Mediene sich auf eine Übergangsfrist unter der Leitung des ehemaligen Präsidenten Liamine Zeroual geeinigt haben, war sie nicht anwesend. Sie nahm am Abend des 27. März an der Sitzung teil und die Entscheidung war bereits getroffen“, sagt Ghechir.

Der Anwalt erinnert an die Worte des Präsidenten der El-Bina-Bewegung, Abdelkader Bengrina, im El-Hiwar-Forum, dass „Präsident Bouteflika die Entscheidung getroffen habe, den Stabschef zu entlassen, als er in Genf ins Krankenhaus eingeliefert wurde“.

„Sie war also nicht anwesend, als vorgeschlagen wurde, den Stabschef von seinen Aufgaben zu entbinden und die angeklagten Generäle zu rehabilitieren. Sie erwähnte diese Themen nie und nahm nicht an den Sitzungen teil, in denen sie diskutiert wurden“, schlussfolgert der Anwalt.

Ihm zufolge wurde seine Klientin nur gebeten, „ihre Meinung über die Krise, in der sich das Land befindet, zu äußern“ und „sie wiederholte die Positionen ihrer Partei, die einen Verfassunggebenden Prozess, die Auflösung des Parlaments und den Rücktritt der Regierung gefordert hat. Sie äußerte diese Positionen vor Said Bouteflika, der eine andere Meinung hatte. Sie leugnete das Treffen nicht, weil es stattgefunden hat, aber es war keine Verschwörung. Es war ein Treffen, um Wege zur Bewältigung der Krise zu diskutieren.“

„In der Sitzung vom 29. März war die Frage der Enthebung des Stabschefs noch nicht entschieden worden. Denn General Toufik war nicht einverstanden, weil es in Algerien Tradition sei, dass die Position des Stabschefs vom Kommandanten der Landstreitkräfte ausgeübt werden sollte. Es gab eine Debatte, aber es wurde keine Entscheidung getroffen, die Meinungen waren unterschiedlich. Außerdem gab es keine ausländischen Parteien oder Geheimdienste. Es war ein Treffen der Algerier, um einen Ausweg aus der Krise zu finden, nicht mehr und nicht weniger“, fährt Herr Ghechir fort.

Laut Herrn Ghechir ist Louisa Hanoune von dem Urteil nicht sehr betroffen. „Für sie ist es eine politische Frage. Sie weiß, dass dies erst der Anfang ist und dass es noch weitere Rechtsmittel gibt. Sie empfand das Gerichtsurteil nicht als Katastrophe“, sagte er und wies auch darauf hin, dass Familienmitglieder der Angeklagten bei dem Prozess anwesend waren, so der Sohn von General Toufik und der Bruder von Frau Hanoune.

TSA, 25 Sept. 2019